
Chaostage ‘25
TIEFBASSKOMMANDO
Wenn die „TBK Randgruppe“ in die Szenerie stürmt, hagelt es Ansagen, „geschmacklos wie Burger ohne Fleisch“. Dann ballern 808’s wie Ziegelsteile und Ziegelsteine wie 808’s, dann walzen grobe Bässe durchs gefällige Deutschrap-Idyll. Das Tiefbasskommando – bestehend aus den RapperInnen Eisberg, Double G, Shoki, Don Juan und MC Kneipenkrieger, dem Producer Retado und dem Videografen Downtown Destruction (DDP) – hat die Autodidaktik zur Tugend, das Kollektiv zum Front-MC und die Destruktivität in Entertainment umgewandelt. Mit schier anmaßender Mühelosigkeit, rougher Untergrund-Attitüde und einer beispiellosen Portion Berliner Ignoranz blickt die „TBK Familie“ verkappt-ironisch in die Abgründe menschlicher Gedankenwelten. Drogenwahn, übersteigerte Obszönität und maximal stumpfsinnige Punchlines karambolieren mit aufgeweckter Gesellschaftskritik, subkulturellen Referenzen, Perspektivwechseln und ausgelebter Sexpositivität – Rap der Westberliner Schule clasht mit rauen Break-Beats und Hyperpop-Anleihen.
Der Kosmos TBK ist ein undurchschaubares Dickicht – vielköpfig, mysteriös, ein bisschen verrucht. Außerhalb der kryptischen Texte hat das Siebengespann bislang wenig von sich preisgegeben, auf Bühnen und in den niedrig-pixeligen Videos tritt es ausschließlich maskiert auf. So kommt es auch, dass der Sprung vom Berliner Underground-Phänomen zur bundesweit relevanten Rap-Crew medial ähnlich dünn dokumentiert ist, wie die Gründungsgeschichte der Posse. Auch innerhalb des Kollektivs wird letztere in vielen Varianten erzählt. Kein Wunder, haben sich die meisten Mitglieder doch – mit Edding in der einen und dem x-ten Bierhumpen in der anderen Hand – auf irgendwelchen Partytoiletten kennengelernt.
Ein Neuköllner Mehrfamilienhaus, das wegen eines Wasserschadens übergangsweise leer steht, wird im März 2020 zum TBK-Quartier – in einem Raum bildet sich ein primitives Matratzenlager, im anderen entsteht ein maximal spärliches Studio. Um ein freistehendes Billigmikrofon tummeln sich Tag und Nacht diverse mittelmäßig bis stark berauschte Personen und übertrumpfen sich gegenseitig mit absurden Punchlines. Alles ist erlaubt, klassische Song-Strukturen zweitrangig. In diesem Modus entsteht innerhalb von zwei Wochen das erste TBK-Mixtape „Vol. 1“, auf dem sich neben der damals fünfköpfigen TBK-Stammbesetzung etliche Phantomrapper die Ehre geben. Während „Vol. 1“, auch durch den Support der befreundeten 102 Boys, die Runde macht, stößt Rapperin Shoki zur Gang. Sie beteiligt sich mit ihrem empowernden Debüt-Track „Eine wie mich“ am zweiten Crew-Projekt „Ekeltape“. 2021 ist das Tiefbasskommando dann endlich komplett: MC Kneipenkrieger, der zuvor schon im Nordachse- und Hot Money Records-Kontext sichtbar wurde, stößt als letzter Protagonist dazu. Das dritte Tape, das XXL-Projekt „Breakdance auf Scherben“, entsteht gewohnt autodidaktisch, aber dennoch gewissenhafter als die beiden Vorgänger – es enthält unter anderem den bisher womöglich eindrucksvollsten Thementrack „U8“, der aus Perspektive Heroin-Abhängiger geschrieben ist. „Breakdance auf Scherben“ erscheint im Mai 2022 und gilt, auch durch die klare stilistische Trennung in eine A- und eine B-Seite, als bisher experimentellste Veröffentlichung. Im direkten Anschluss geht die Bande erstmals auf Tour. Alle Läden sind ausverkauft, in mehreren Städten wird hochverlegt.
Einlass zum Konzert ab 16 Jahre.
Photocredit: Marshl Ceron